— STADT (BE)SCHREIBEN

Essen und Garten

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Korinna Groschupp
Lokale Expertin
wurde 1973 geboren. Mit fünf Jahren kam sie von Wismar nach Berlin-Buch. Erst zur Ausbildung zog sie weiter nach Köpenick.
Zum Gebiet Frankfurter Allee Nord hat Frau Groschupp schon lange einen sehr persönlichen Bezug: ihre Tochter wurde im Oskar-Ziethen-Krankenhaus, wortwörtlich um die Ecke, geboren. Als sie 2011 den lichtdurchfluteten, zur Vermietung stehenden Laden mit seinem Vorgarten entdeckte, verliebte sie sich in ihn und verlegte erstmal ihr Buchführungsbüro aus Friedrichshain in das hintere Zimmer. Ein paar Monate später wurde der Bio-Laden eröffnet. In das Haus zog gleichzeitig auch eine Pizzeria ein, für die Frau Groschupp die Buchhaltung macht.

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Schon von der gegenüberliegenden Seite der Frankfurter Allee sticht der Bioladen wie ein bunter Fleck auf einer grauen Fassade hervor. Der Kratzputz ist farbenfroh mit Bäumen und einer Sonne angemalt, vor dem Eingang laden ein Vorgarten mit einer Hollywoodschaukel und zwei kleine Schaukästen zum Besuch ein.
Läuft man von der Alten Frankfurter Allee in Richtung Westen, überrascht diese fröhliche, friedliche Oase umso mehr: nur ein schmaler, überwiegend zu Parkzwecken
genutzter Abschnitt der Straße und eine Böschung mit ein paar jungen Bäumen trennen diese von der Schnellstraße.

Hier gibt es einen erheblichen, plötzlichen Maßstabsprung: von der Großstadtautobahn zum kleinen Garten zum Verweilen. Das Interview findet an einem frühen Samstagnachmittag statt. Nicht nur Frau Groschupp ist da, sondern auch eine Mitarbeiterin steht hinter dem Tresen; ein weiterer Mitarbeiter, dessen Schicht zu Ende ist, kauft mit seiner Freundin noch ein, und eine Stammkundin sitzt an einem der Tische. Die Stimmung ist fröhlich und familiär, Frau Groschupps Antworten auf meine Fragen werden von allen kommentiert und ergänzt. Offensichtlich kennt man sich hier schon lange und ziemlich gut.

Neben dem Verkauf von Bio-Produkten gibt es ein Bistro mit gut besuchtem Mittagstisch. Die Mittagskundschaft wohnt oder arbeitet im Kiez oder etwas weiter weg; manche kommen sogar aus dem Ring-Center. Ab dem späten Nachmittag kommen die Feierabendkunden, die manchmal nur schnell etwas für das Abendessen einkaufen wollen, manchmal aber auch ins Plaudern geraten und ein Stündchen oder mehr bleiben. Neben einer schönen Obst- und Gemüseauslage und den gängigen Produkten findet man hier auch ausgefallenere, seltenere Bio-Lebensmittel. Es werden Kochrezepte für Groß und Klein ausgetauscht oder Tipps und Anregungen für den nächsten Mittagstisch entgegengenommen. Koch ist der Mitarbeiter, der gerade mit seinen Einkäufen fertig geworden ist. In den Schaukästen im Vorgarten werden einige seiner Kunstwerke ausgestellt.
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Bereits bevor der Bio-Laden entstand, fungierte der Ort als Anlaufpunkt: der Betreiber des damaligen Modegeschäfts machte oft Kaffeekränzchen mit seinen Kundinnen. Zu Frau Groschupp kam auch einmal eine Dame, die Jahre zuvor an der Kasse des Modegeschäfts gestanden hatte.
In Bezug auf die Verlegung des Straßenbahnverlaufs bis vor ihrer Haustür ist Frau Groschupp unglücklich. Stelle man die Straßenbahn nach der Endstation dort ab, bevor sie die gleiche Strecke nochmal führe, so sperre man doch den Straßenraum, sagt sie. So würde man sich alle Möglichkeiten und Potentiale, die Straße als attraktiven Aufenthaltsraum zu gestalten, verbauen.

Für den Kiez wünscht sie sich ein Straßenfest, das möglichst alle Ladenbetreiber und Bewohner, insbesondere die ausländische Bevölkerung, mit einbeziehe und Jahr für Jahr auch Menschen außerhalb der Bezirksgrenzen anziehe.

Amandine Descamps
Architekturstudentin
studiert an der UdK und kommt ursprünglich aus der Nähe von Paris. 2006 kam sie nach Deutschland.