— STADT (BE)SCHREIBEN

Der reisende Arbeiter

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Besam Awira*
Lokaler Experte / Dönerverkäufer
*Name auf Wunsch geändert
ist 29 Jahre alt. Er kommt aus der Türkei und ist Kurde. Vor ein paar Jahren ist er nach Italien gezogen. Er hat dort zwei Jahre lang gelebt und ist dann nach Deutschland gekommen. Er konnte dort aber leider nicht bleiben, sondern musste wieder zurück nach Italien, um eine neue Aufenthalterlaubnis zu bekommen.

Seitdem lebt er in Reinickendorf mit seiner Frau und einem Kind. Seine Frau ist Türkin, aber in Deutschland geboren. Besams Vater wohnt gerade in Lichtenberg, im Gegensatz zu seiner Mutter und seinen Schwestern, die in der Türkei geblieben sind. Besam kennt Reinickendorf nicht sehr gut, für ihn ist dieser Stadtteil nur eine Schlafstadt.

Berlin Mitte, wo er seine Freunde treffen kann, mag er lieber. Lichtenberg ist für ihn auch ziemlich attraktiv, da viele seiner Freunde dort wohnen. Besam arbeitet im AVCI-Bistro . Das kleine Gebäude ist zugleich ist ein Kebabrestaurant, ein Café und eine Bar; es gibt auch Spielautomaten. Es gehört zu einer Restaurantkette: Gleich gegenüber liegt eine andere, etwas größere Filiale.


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Es gibt insgesamt 7 Mitarbeiter für beide Restaurants, alle kurdischer Herkunft. Normalerweise sind sie nur in einem Restaurant beschäftigt, aber wenn nötig können sie wechseln (als wir mit Besam unser Interview geführt haben, vertrat er einen seiner Kollegen).

Ein normaler Tag für Besam fängt ungefähr um 9 Uhr an. Am Vormittag gibt es sehr wenig Kundschaft. Ab Mittag gibt es natürlich viel mehr Gäste, und deshalb auch mehr Arbeit für Besam; später am Tag bleibt diese Zahl ungefähr gleich.

Zwei verschiedene Typen von Kunden sind zu unterscheiden: Der Stammgast und der Durchreisende. Die meisten Durchreisenden kommen zum Mittag- oder Abendessen ins AVCI-Bistro. Die Zahl der Stammgäste bleibt dagegen relativ konstant.


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Allerdings haben die Durchreisenden und die Stammgäste auch nicht das selbe Konsumverhalten: Nach Besams Beobachtung kommen die Stammgäste häufig, um zu spielen, was sie den ganzen Tag lang machen können. Diese Kunden trinken auch manchmal Bier oder einen Kaffe, oder sie essen etwas zu Mittag. Die Durchreisenden kommen auch manchmal nur für ein Bier oder einen Kaffee, aber seltener. Und sie spielen fast nie.

"Die Deustchen denken: Alle die braune Haare und Augen haben, sind sicher Türken. Du zum Beispiel", sagt er zu Albane, "würdest in Berlin für eine Türkin gehalten."

Albane de la Villegeorges, Roman Szymczak
Erasmus-Studenten der UDK
studieren Architektur in Paris und sind gerade für ihr Erasmus-Austauschjahr an der UdK Berlin. Vielleicht haben sie deswegen einen anderen Blick auf Lichtenberg.  
Wenn in Paris ein Viertel wie Lichtenberg in Berlin gäbe, würde es auf Anhieb eine spezifische Konnotation geben: Der Stadtteil würde auf jeden Fall als eine Vorstadt (banlieue) gelten. Tatsächlich gibt es in Paris nie solche Orte: Als wir also zum ersten Mal nach Lichtenberg gefahren sind, haben wir entdeckt, dass dieser Stadtteil zwar wie eine französische Vorstadt aussieht, aber eine total andere Atmosphäre hat. In Paris gibt es einen großen Unterschied zwischen Stadt und Vororten, die eine unsichere Atmosphäre haben.